TSG Abtsgmünd 1945 e.V. – Abteilung Fußball

10.03.2021 – FuPa.net-Interview mit Silke Fritz (TSG Abtsgmünd)

„Die Schiedsrichterei prägt einen gewaltig“

Silke Fritz wollte neben der Leichtathletik einfach mal was Neues ausprobieren und so geriet die heute 30-Jährige, deren Vater ebenfalls als Schiedsrichter tätig ist, 2007 in einen Neulingskurs der Schiedsrichtergruppe Aalen. Von dort bis zur Frauenbundesliga war es ein weiter Weg.

Silke Fritz pfeift seit 2007 Spiele für die TSG Abtsgmünd. Im Herrenbereich in der Verbandsliga, in der Frauenbundesliga als Schiedsrichterassistentin, außerdem sind 36 Spiele in der 2. Frauen-Bundesliga bislang ebenfalls in ihre Statistik eingegangen.

Was muss eine gute Schiedsrichterin mitbringen und wie setzt man sich in hektischen Szenen als Schiedsrichterin durch? Die 30-Jährige verrät es im Interview und rät, ihr einfach nachzueifern.

Michael Feindert: Hallo Silke, wie lange bist du denn schon Schiedsrichterin?

Silke Fritz: 2007 habe ich den Neulingskurs in der Schiedsrichtergruppe Aalen absolviert.

Und was war damals der Auslöser?

Da ich als Kind oft mit auf dem Fußballplatz war, wollte ich neben der Leichtathletik etwas Neues machen. Mein Vater ist heute noch aktiver Schiedsrichter und er war es dann auch, der mich zum Neulingskurs angemeldet hat.


Was muss eine gute Schiedsrichterin mitbringen? Welche Fähigkeiten sind wichtig?

Mitbringen sollte man Interesse und vor allem Spaß am Fußball. Auch die Bereitschaft, sich permanent mit den Fußballregeln zu beschäftigen, ist natürlich unerlässlich. Und Freude an der Bewegung.

Stimmt es, dass die besten Schiedsrichter den Zuschauern im Spiel gar nicht auffallen (sollten)?

Ein guter Schiedsrichter ist meiner Auffassung nach derjenige, welcher sich nicht in den Mittelpunkt stellt, sich gleichzeitig die Anspannung in stressigen Situationen nicht anmerken lässt und eine klare, transparente Regelauslegung für alle Beteiligten hat.

Was ist denn deine ‚Linie‘? Wie kommunizierst du mit den Spielerinnen und Spielern?

Kommunikation auf dem Platz ist sehr wichtig. Ein generelles Rezept habe ich jedoch nicht. Ich versuche freundlich, jedoch situativ bestimmt aufzutreten, sodass die Grenzen für die Spielerinnen und Spieler schnell klar sind. Ich denke, das ist der Spagat, den man hinbekommen sollte. Alle Charaktere unter einen Hut zu bekommen, ist Spiel für Spiel die Herausforderung – und gewiss nicht einfach.

Wie unterscheiden sich Spiele in der höchsten Klasse, die du bisher geleitet hast zur niedrigsten Spielklasse, in der du aktiv warst?

Ganz generell würde ich sagen, dass in den höheren Ligen mehr Professionalität gegeben ist, welche sich auch in den Erwartungen an den Schiedsrichter widerspiegelt. Damit meine ich in erster Linie die körperliche Verfassung des Schiedsrichters. Auffällig ist auch, dass in den unteren Ligen ein vielleicht falscher Pfiff schneller verziehen wird wie in den höheren Klassen, wenn es natürlich nichts Gravierendes war. In der Frauenbundesliga, in der ich regelmäßig als Schiedsrichterassistentin unterwegs bin, analysieren wir mit den Videos anhand von Fernsehbildern das Spiel. Dies ist natürlich erst in den höheren Spielklassen mit verschieden Kameras möglich. Mir macht es sehr viel Spaß im Herrenbereich, aber auch in der Frauenbundesliga als Schiedsrichterassistentin sowie in der 2. Frauenbundesliga als Schiedsrichterin tätig zu sein. Die unterschiedlichen Bereiche machen es wirklich abwechslungsreich.

Wir wollen in der Themenwoche auch auf die negativen Seiten, die das Pfeifen so mit sich bringt, aufmerksam machen. Also die strukturelle Gewalt, die den Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern europaweit jede Woche entgegenbläst, speziell im Amateurbereich. Wie sind da deine Erfahrungen?

Gewalt auf den Sportplätzen nimmt definitiv zu. Beleidigungen, wie zum Beispiel: „Du gehörst nach Hause in die Küche“, „Die Eule sieht nichts“ oder „Ohje, ne Frau“ schon vor Spielbeginn oder auch nur Blicke gehören zur milderen Sorte . Man lernt aber mit der Zeit, das super auszublenden. Und vieles hört man sowieso gar nicht, da man auf das Spiel konzentriert ist.

Für mich war die schlimmste Erfahrung, als ein Spieler, nachdem ich ihn mit einem FAD, einem Feldverweis auf Dauer, des Platzes verwiesen habe – und die Distanz zwischen uns lag bei der Aussprache der Karte bei etwa drei Metern – auf mich losgehen wollte. Er stand direkt vor mir, selbstverständlich einen Kopf größer als ich und ich dachte, jetzt bekomme ich gleich eine Kopfnuss oder dergleichen. Glücklicherweise haben ihn Mitspieler dann sofort weggezogen und in die Kabine gezerrt. Es ist zwar nichts passiert, da die Mitspieler geholfen haben, aber dieses Erlebnis hat mich sehr geprägt.

Was würdest du dir von allen Beteiligten wünschen, damit die Zahlen der verbalen und physischen Übergriffe auf Schiedsrichter zukünftig weniger werden?

Durch das Thematisieren der Gewalt, so wie es auch medial geschieht, wünsche ich mir mehr Toleranz gegenüber den Schiedsrichterentscheidungen, da wir alle keine Profis sind und nicht immer die richtige Entscheidung treffen können. Spieler machen Fehler, wir aber auch! Das Ziel jedes Schiedsrichters ist die Fehlerquote so niedrig wie möglich zu halten. Dies sollte in den Köpfen aller fest verankert werden. Emotionen gehören natürlich dazu – aber in einem gewaltfreien und respektvollen Rahmen. Die mediale Präsenz dieses Themas, sprich beispielsweise Werbung wie es gegen Rassismus von den Profis und Amateuren im TV bereits erfolgt, wie auch spezielle Spieltage unter dem Motto „Gewaltfreiheit“ sollten eigentlich gar nicht zur Debatte stehen, da es meiner Ansicht nach selbstverständlich sein sollte, dass man respektvoll miteinander umgeht. Doch da dies leider nicht der Fall ist, sind das, denke ich, super Maßnahmen, die auch in Zukunft weiterhin praktiziert werden müssen, um auch in Zukunft weiter zu sensibilisieren.


Was würdest du speziell Mädchen und Frauen raten, die mit dem Gedanken spielen, Schiedsrichterin zu werden?

Egal ob männlich oder weiblich: Die Schiedsrichterei prägt einen gewaltig. Ich habe gelernt, mich durchzusetzen, Menschen in Stresssituationen kennenzulernen und mit ihnen umzugehen, was mir auch im normalen Leben abseits des Fußballs sehr viel hilft, wenn es um Menschenkenntnis geht. Werde Schiedsrichter und lerne den Fußball von der anderen Seite kennen, um dich selbst weiterzuentwickeln, wie als Spieler oder Zuschauer auch. Und zwar egal, wie alt du bist.

Was sind denn deine Ziele für die Zukunft? Sehen wir dich irgendwann mal in der Bundesliga?

Da ich am 13. Februar Mutter geworden bin, ist für mich persönlich das erste Ziel, schnellstmöglich wieder fit zu werden und dann wieder in den Fußball einzusteigen. Die Familie, den Job und den Fußball zu koordinieren wird sicherlich eine große Herausforderung, die ich aber gerne annehme. Ich freue mich schon heute, auch wenn mein Baby erst ein paar Wochen alt ist, zurück auf den Platz zu kommen und hoffentlich sagen zu können, ich habe an den Leistungen vor der Schwangerschaft angeknüpft und mich weiterentwickelt. Und wenn es dann noch die ein oder andere Klasse noch nach oben ginge, würde ich mich sehr freuen.